Kühlschränke, Eis-Boxen, Gefrierkammern: Gegenstände über die man sich nicht viele Gedanken macht, außer man steht gerade davor und ist auf der Suche nach den benötigten Lebensmitteln. Doch die Geschichte hinter dieser Technologie ist interessanter als gedacht. Vor allem, da sie stetig weitergeführt wird. Seit den1990er Jahren ist klar, dass eine neue Ära der Kühltechnologie anbrechen muss. Wissenschaftler entdeckten, dass ein Hauptbestandteil herkömmlicher Kältemittel umweltschädlich ist, nämlich die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKWs). Diese organischen Verbindungen reagieren mit dem Ozon in der Stratosphäre, welches dadurch aufgespaltet wird. Es bilden sich verschiedene chemische Verbindungen, die im Ergebnis die Ozonmenge in der Stratosphäre verringern. Ein FCKW-Verbot wurde schließlich eingeführt und alternative Fluide (Fluorkohlenwasserstoff oder FKW) wurden danach als Kältemittel eingesetzt. Diese FKWs sind unschädlich für das Ozon, stellen aber ein großes Treibhausgaspotenzial dar. Eine EU-Verordnung von 2006 (die 2014 aktualisiert wurde) hat Maßnahmen zur Reduzierung von klimaschädlichen Kältemittel-Emissionen aus Kälteanlagen gefordert. Eine weltweite Richtlinie wurde mit dem Montreal Protokoll 2016 eingeführt. 200 Länder haben sich geeinigt, schrittweise und weitgehend den Einsatz von FKWs zu reduzieren.
„Spätestens jetzt ist das Interesse an neuen, umweltfreundlichen und effizienten Kühltechnologien stark gestiegen“, so schildert Dr. Kilian Bartholomé vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM die heutige Situation. Er hat sich mit Kollegen von der Abteilung für angewandte Mathematik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zusammengeschlossen, um diese Thematik zu bearbeiten. „Wir wollen die Vorteile magnetokalorischer Materialien mit einem neuen, auf Heatpipes basierenden Wärmeübertragerkonzept kombinieren, um ein neuartiges und nachhaltiges Kühlkonzept zu entwickeln“. Mit diesem Ziel haben sich die Forscher der Universität Freiburg und des Fraunhofer IPM in einem Pilotprojekt des Leistungszentrum Nachhaltigkeit Freiburg (LZN) zusammengeschlossen: „ActiPipe: nachhaltige Kühlkonzepte – Aktiv-Heatpipes zur umweltfreundlichen und effizienten Kühlung“.
Ein Kühlsystem auf Basis magnetokalorischer (MK) Materialien würde gegenüber der konventionellen Kompressor-Technologie viele Vorteile bieten: Zum einen entfallen die umweltschädlichen Kältemittel. Zum anderen können mit diesen Systemen potentiell sehr hohe Wirkungsgrade erreicht werden. Der Aufbau hätte auch kaum verschleißanfällige Teile, der Wartungsaufwand wäre dadurch geringer als bei heutigen Kühlsystemen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil des neuen Kühlsystems mit Heatpipes ist: Es arbeitet sehr leise.
MK-Materialien werden bereits seit Jahren benutzt, aber eine Kombination solcher Materialien mit sogenannten Heatpipes wurde bisher noch nicht untersucht. Dazu wurden LaFeSi Legierungen als magnetokalorisches Probematerial ausgewählt. Diese Legierungen eignen sich hervorragend für den Einsatz in einem Kühlsystem, da sie eine große magnetische Entropieänderung und eine adiabatische Temperaturänderung aufweisen. Ihre Herstellung kann zudem im industriellen Maßstab erfolgen.
Zum Prinzip der Kühlung mit MK-Material: Das MK-Material wird einem magnetischen Feld ausgesetzt und erwärmt sich auf Grund der erzeugten magnetischen Ordnung. Diese entstandene Wärme wird abgeführt und das MK-Material kühlt sich ab (es, kehrt zu seiner Anfangstemperatur zurück). Dann wird das MK-Material wieder aus dem magnetischen Feld genommen. In der Folge kühlt es noch weiter ab. Um nun wieder die Anfangstemperatur zu erreichen, wird es mit der zu kühlenden Stelle verbunden und nimmt von dort wieder Wärme auf. Bei herkömmlichen magnetokalorischen Systemen wird ein Fluid (normalerweise Wasser) im sogenannten „Bett“, mit einer Pumpe zwischen warmer und kalter Seite hin und her gepumpt. Hierbei ist allerdings aufgrund des begrenzten Wärmeübertragungs die Zyklusfrequenz limitiert. Gleichzeitig kommt es wegen des hohen Drucks zu Reibungsverlusten, die die Systemeffizienz limitieren.
Die Forscher haben sich daher entschlossen, den Wärmeübertrag im System äquivalent zum Wärmeübertragungskonzept in einer Heatpipe zu realisieren. Eine Heatpipe ist nichts anderes als ein gasdichtes Rohr (in der Regel aus Kupfer), aus dem alle Fremdgase entfernt wurden und nur ein wenig Fluid (in der Regel Wasser) eingeschlossen wurde. Wird nun die eine Seite des Rohres erwärmt, verdampft das Fluid auf dieser Seite und kondensiert auf der kalten Seite. Hierdurch kommt es zu sehr hohen Wärmeübertragungsraten.
Im Projekt ActiPipe wurde nun magnetokalorisches Material sowie selbst entwickelte Überdruckventile in eine solche Heatpipe integriert. Wenn nun das MK-Material magnetisiert und damit erwärmt wird, verdampft das Fluid mit der Folge, dass der Dampfdruck in diesem Segment steigt. Der Dampft gelangt durch das Überdruckventil in das Nachbarelement und kondensiert dort, thermische Energie wird dadurch übertragen. Wird nun der Magnet zum nächsten Segment geleitet, kühlt sich das MK-Material im ersten Segment wieder ab und erreicht die Ausgangstemperatur. Der Dampfdruck sinkt, ein Unterdruck entsteht. Die Folge: Das gasförmige Fluid und damit die Wärme aus dem vorangehenden Segment wird aufgenommen. Ein solches System lässt sich ebenso als Heizung nutzen.
„Im Projekt ActiPipe haben wir nun ein komplettes experimentelles System basierend auf diesem Konzept aufgebaut“, erklärt Dr. Bartholomé. „Unsere Uni-Kollegen haben gleichzeitig mit mathematischen Beschreibungen ein Model der Heatpipe entwickelt. Wir am IPM haben weiterhin festgestellt, dass unser Aufbau gut funktioniert und dass wir mit zwei Segmenten Kühlzyklen mit einer Frequenz von knapp sechs Hertz erhalten können, was ein super Ergebnis ist“, sagt Dr. Bartholomé. „Allerdings ist die Wärmepumpenleistung noch nicht so hoch wie wir es wollen.“ Daher muss der Aufbau noch verfeinert werden, aber das Team zeigt sich sehr begeistert von diesen ersten Versuchen. Auch die Modelle, die vom Uni-Team entwickelt wurden, haben den Forschern wichtige Grundkenntnisse geliefert. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, wie ein Tropfen Wasser von oben an der inneren Wand entlang, nach unten fließt. Mit solchen Simulationen können zukünftig verschiedene Parameter und ihr Einfluss auf die Systemperformance untersucht werden.
Weitere Projekte zur Entwicklung kalorischer Kühlsysteme werden u.a. mit anderen Fraunhofer-Forschern durchgeführt. Im Rahmen des Projekts „MagCon“ (Magnetokalorik: Entwicklung kältemittelfreier, hocheffizienter Wärmepumpen zum Heizen und Kühlen) entwickelt das Fraunhofer IPM gemeinsam mit Kollegen des Fraunhofer IFAM eine effiziente magnetokalorische Wärmepumpe. ActiPipe ist noch in einem anderen Projekt eingebettet, nämlich „EC-Cool“. Im Zuge dieses Projekts wurden elektrokalorische Materialien untersucht. Das Prinzip dahinter ist ähnlich wie bei ActiPipe, nur dass die Forscher mit elektrischen anstatt mit magnetischen Feldern arbeiten.
Die ersten Industriepartner haben ihre Interesse an den Ergebnissen bereits bekundet: Gemeinsam mit der Philipp Kirsch GmbH, der Vacuumschmelze GmbH und GSI Technology UG arbeitet das IPM an der Entwicklung eines magnetokalorischen Systems für die Medizintechnik. Hierbei geht es um medizinische Kühlschränke, welche besonders tiefe Temperaturen erreichen müssen. Dr. Bartholomé ist guter Hoffnung: „Bis wir magnetokalorische Systeme in erste Anwendungen bringen können, müssen wir natürlich noch einiges am System verbessern und verfeinern. Aber wir machen sehr gute Fortschritte.“