Die Solartechnik breitet sich global immer weiter aus. Als erneuerbare Energiequelle stehen PV-Anlagen ganz oben auf der Liste relevanter Forschungsthemen für die Energiewende. Die installierte Photovoltaik-Leistung erhöht sich jährlich und die Kosten sinken immer weiter. In Deutschland zum Beispiel sind die Stromentstehungskosten bei errichteten Photovoltaik-Großanlagen mittlerweile niedriger als bei anderen fossilen oder erneuerbaren Energiequellen, etwa gleichauf mit Onshore-Windanlagen. Mit der Verbreitung von PV-Anlagen entstehen aber auch bestimmte Herausforderungen, nicht alle Standorte sind für diese ideal geeignet. Hersteller und Betreiber benötigen zur besseren Einschätzung möglicher Risiken eine Vielzahl an Informationen. „Da wir am Fraunhofer ISE schon sehr lange PV-Technologien erforschen und auch viel im Bereich Gebrauchsdaueranalyse arbeiten, wissen wir natürlich, wie wichtig diese Thematik ist“, erklärt Christian Schill vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Er und seine Kollegen haben sich mit Forschern der Professur für Fernerkundung und Landschaftsinformationssystemen der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zusammengeschlossen. Im Pilotprojekt „GloBe Solar: Globales Belastungs-Klassifikationssystem für solartechnische Materialien“ des Leistungszentrums Nachhaltigkeit Freiburg wollten sie Informationen zu bestimmten Schadensmechanismen weltweit flächendeckend in einer Geodatenbank zusammenfassen.
„Da die Hersteller von PV-Modulen und -Anlagen bei ihren Projekten häufig Standorte auf der ganzen Welt in Betracht ziehen, muss unser Datenpool zwangsläufig sehr groß sein, um den Herstellern von Nutzen sein zu können“, erklärt Jan Herrmann von der Universität Freiburg. Die Grundlage der Analysen waren deshalb unter anderem übergreifende langjährige Satelliten- und Reanalysedaten. Diese Datensätze stehen häufig in hoher Qualität zur Verfügung und enthalten viele wichtige Informationen, vor allem haben sie eine große räumliche Abdeckung. Mithilfe dieser Daten wollte das GloBe Solar Team die Belastungen von PV-Komponenten im Freien untersuchen und typische Schadensbilder modellieren. Vier Schadensmechanismen wurden ausgewählt: Erstens die UV-Belastung, zweitens der Temperatur-Wechselzyklus, drittens die Korrosion, also das Rosten, hier von vier Standard-Metallen. Zudem sollte die Verschmutzung, das sogenannte „Soiling“, von PV-Modulen betrachtet werden. Der Temperatur-Wechselzyklus ist besonders in ariden Gebieten, also Trockengebieten wichtig: Tagsüber kann die Lufttemperatur dort weit über 40°C erreichen, aber sich in der Nacht durchaus dem Gefrierpunkt annähern. Bei der resultierenden Modultemperatur ist die Differenz aufgrund der Materialeigenschaften meist noch deutlich ausgeprägter. Die verbauten Komponenten müssen diese große Temperaturspanne aushalten können. Was das Thema Rost angeht, müssen Aluminium, Kupfer, Eisen und Zink als die Metalle, die in PV-Anlagen oft zur Verwendung kommen, auf ihre standortabhängige Korrosionsempfindlichkeit untersucht werden. Korrosion wird vor allem durch hohe Luftfeuchtigkeitswerte und hohe Konzentrationen von Schwefeldioxid und Meersalz in der Atmosphäre verursacht. Als weiterer Belastungsmechanismus ist auch das Soiling von PV-Modulen wichtig, etwa in den bereits genannten ariden Zonen. Wenn Sand oder anderer Schmutz auf die Moduloberfläche trifft und dort haften bleibt, kann es zu deutlichen Ertragsverlusten kommen. Am Beispiel der UV-Strahlung zeigt sich, dass man die Problematik aus vielen verschiedenen Blickwinkel betrachten kann: Ein mittlerer UV-Index muss nicht zwangsläufig schädlich für die PV-Materialien sein, ist aber dennoch gesundheitsschädlich für Menschen. Daher kann dann der Aspekt des Arbeitsschutzes ins Spiel kommen. Idealerweise sollte man also die Thematik, gerade im Rahmen der Nachhaltigkeitsforschung, nicht nur auf rein technische Aspekte reduzieren.
Hilfreich für die Untersuchungen sind die langjährigen Erfahrungen an den verschiedenen Teststandorten des Fraunhofer ISE. Diese befinden sich in alpinen, ariden, küstennahen und gemäßigten Zonen und decken damit viele typische Umweltbedingungen exemplarisch ab. Die dort gewonnenen Daten helfen, die durch den globalen Ansatz limitierte Auflösung der Daten und Modelle besser einzuordnen. Denn kleinräumige Effekte können die festgestellten Belastungen manchmal noch modifizieren. Ein Beispiel dafür kann am Teststandort auf Gran Canaria nachvollzogen werden. Die Insel mit durchschnittlich neun Sonnenstunden pro Tag im Sommer, scheint als Standort für PV-Anlagen gut geeignet zu sein, aber die Gischt des Wassers unmittelbar an der Küstenlinie spielt tatsächlich eine bedeutsame Rolle für die atmosphärische Meersalzkonzentration. Je weiter die PV-Anlage vom Wasser entfernt ist, desto geringer fällt die Korrosion aus, hier können wenige hundert Meter eine große Rolle spielen. Trotz dieser Limitierung benutzen die Forscher gerne die Daten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms „Copernicus“ oder der NASA. Denn diese Satellitendaten bieten den entscheidenden Vorteil, regelmäßig aktualisiert zu werden und frei zugänglich zu sein.
Das finale Ziel der Zusammenarbeit im Pilotprojekt besteht in der Erstellung einer globalen Kartenübersicht mit Informationen zu den unterschiedlichen Belastungsfaktoren in einer Geodatenbank. Der Zugang zu den Daten wird aber eingeschränkt sein und dadurch nicht komplett frei zugänglich für alle. „Drei Akteure wären am meisten daran interessiert, Zugang zu den Daten zu bekommen“, meint Schill. „PV-Modul-Hersteller, EPC-Firmen, welche PV-Anlagen planen und bauen, und Rückversicherer.“ Die Modul-Hersteller müssen für ihre Produkte Zertifizierungen erhalten, zum Beispiel wird in Eiskugeltests die Widerstandsfähigkeit gegen Hagel getestet. „Wenn ein Hersteller an einem Standort mit größerer Hagelwahrscheinlichkeit eine Anlage aufbauen möchte, dann will er das natürlich im Voraus wissen, um angepasste Maßnahmen ergreifen zu können“, so Herrmann. Weiterhin kann ein Hersteller selbst entscheiden, anhand der verfügbaren Daten, ob es überhaupt Sinn ergibt, am ausgewählten Standort eine PV-Anlage zu bauen. EPC-Firmen benötigen diese Informationen ebenfalls, um die Anlagen sachgemäß aufzubauen und zu betreiben. Rückversicherer sind daran interessiert zu wissen, mit welchen potenziellen Kosten durch Schadensfälle sie rechnen müssen. Dazu brauchen alle drei Akteure eine sehr gute Datenbasis.
In den letzten Wochen der Förderzeit planen die Forscher die einzelnen Stressfaktoren zu klassifizieren. Alle Daten sollen in Belastungsklassen zusammengefasst werden und eine Kartenübersicht soll erstellt werden. Die Forscher hoffen auf eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen des LZN. Bestimmte Forschungsthemen, wie zum Bespiel die Auswirkung extremer Wetterereignisse auf die PV-Materialien als Folge des Klimawandels, müssen noch genauer erforscht werden. Andere wichtige Komponenten der Standortbewertung wie kleinräumige Soilingrisiken in Großkraftwerken, die Biodiversität oder sogar mögliche archäologische Befunde wären auch interessante Forschungsbereiche. Weiterhin hoffen die Wissenschaftler, die begonnene Arbeit zum Beispiel in einem EU-geförderten Projekt weiter ausbauen zu können. Die Kollegen sind auf jeden Fall von der Aussicht auf weitere Kooperation begeistert, wie auch immer sich die Weiterarbeit gestalten wird.