Da fliegt was! Forscher des Leistungszentrums Nachhaltigkeit entwickeln mobiles Laser-Messsystem

Drohnen werden zurzeit immer mehr von Wissenschaft und Industrie benutzt, vor allem als Träger für kleine Messsysteme. Im Pilotprojekt MulDiScan des Leistungszentrums Nachhaltigkeit wurde genau diese Thematik erfolgreich umgesetzt. Das Projekt beschäftigte sich damit, wie man ein Messsystem für den Einsatz an einer Drohne entwickeln kann, um dynamisch und flexibel Daten zu erfassen, die zur Analyse von Geo-Risiken genutzt werden können. Mit der Entwicklung eines Laserscansystems sowie einer passenden Software konnte das Team erfolgreich diese Frage beantworten. Auch erste Partner aus der Industrie konnten dabei von der Idee überzeugt werden.

Der Einsatz von UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) in verschiedenen Sektoren, vor allem industriellen und wissenschaftlichen, nimmt immer mehr zu. Drohnen sind flexibel, adaptierbar und erleichtern viele Aufgaben die, wenn sie von einem Menschen erledigt werden, viel Zeit, Energie und Ressourcen verlangen. Vor allem werden Drohnen häufig als Transporter von kleinen, leichten Messsystemen verwendet. Diese Systeme dienen dazu, interessante Details zu identifizieren und zu vermessen z.B. bei großen Waldflächen. Solche Messsysteme sind daher wichtig für die Erfassung von Daten, welche von Wissenschaft sowie Industrie für Analysen benötigt werden. Die Systeme sollten möglichst viele Parameter ohne großen Aufwand aber mit eine gewissen Flexibilität erfassen und analysieren können. Da die Umwelt dynamisch ist, geprägt von vielen möglichen Naturkatastrophen, müssen die Parameter präzise langfristig beobachtet, dokumentiert und interpretiert werden können. „Bisher waren die hergestellten Laserscanner für Drohnen adaptierbar, aber nur wenige Scansysteme werden tatsächlich speziell für den Drohnen-Einsatz entwickelt. Ein integriertes Scansystem mit Kameras gab es nicht“, so Prof. Alexander Reiterer vom Fraunhofer-Institut für Physikalische Messtechnik IPM. Als Leiter der Abteilung Objekt- und Formerfassung hat er den Bedarf für ein drohnen-spezifisches Scansystem erkannt und sich mit Prof. Dr. Barbara Koch von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zusammengeschlossen, um im Rahmen des Leistungszentrums Nachhaltigkeit Freiburg das Projekt „MulDiScan: Geo-Risiken dank besserer Umweltdaten besser einschätzen“ ins Leben zu rufen.

Drei Anwendungsfelder bzw. drei Arten von Naturkatastrophen sollten hauptsächlich adressiert werden: 1) hydrologische Ereignisse (z.B. Starkregen), 2) geomorphologische Ereignisse (Bergstürze oder Lawinen) und 3) biosphärische Ereignisse (z. B. Waldbrände). Prof. Reiterer erklärt, dass er und sein Team diese Bereiche gewählt haben, da dort bisher solche Systeme mit unzureichenden Ergebnissen zum Einsatz kamen. Ein weiteres Ziel des Projekts war es, eine Messsensorik zur schnellen und genauen Erfassung großer Objekte und Strukturen zu entwickeln. Wie Prof. Reiterer erläutert, war die Entwicklung des Systems eigentlich noch wichtiger als ihre Anwendung. Wenn ein integriertes System entsteht, das dynamisch und leicht anwendbar ist und schnell die Umgebung als 3D-Datensammlung darstellen kann, dann hat man eine sehr große Flexibilität was die Anwendung angeht. 

Für Prof. Koch als Professorin für Fernerkundung und Landschaftsinformationssysteme stellt solch ein Laserscansystem ein vielversprechendes Werkzeug dar, vor allem für die Waldinventur. Hauptsächlich wurden dazu bisher Satellitenbilder von Waldbeständen benutzt, um die Vitalität und andere Parameter einzelner Bäume sowie ganzer Wälder zu bestimmen. Die Qualität und räumliche Auflösung dieser Daten reicht meist nicht aus, um die Parameter in der notwendigen Präzision zu bestimmen. Aufnahmen aus Flugzeugen oder von Satelliten werden auch nur in zeitlich großen Abständen umgesetzt. Der Wachszustand von Bäumen z. B. stellt damit nicht immer den neusten Stand da. Wenn diese Daten von einem Messsystem auf einer Drohne gesammelt werden, könnten die Wissenschaftler alle paar Wochen aktuelle Daten erhalten. Dadurch wären auch aktuelle Veränderungen die beispielsweise durch Naturkatastrophen oder sonstige Extremereignisse entstehen, zeitlich analysierbar.

Auch in der Industrie besteht ein hoher Bedarf für ein solches System, vor allem im Verkehr- und Straßenbau. Die Erfassung von Baugebiet und Baufortschritt bzw. die Dokumentation von Vegetation und Gelände kann mit Hilfe eines Laserscanningsystems gelingen. Deshalb konnten die Forscher um Prof. Reiterer schnell auch Industriepartner für ihr Projekt begeistern, wie z.B. die STRABAG AG., die sich für das neu entwickelte System interessierten.

Das entwickelte System besteht nun aus einem Scansystem, zwei Kameras sowie einer internen Speichereinheit und einem Positionierungssystem und wiegt ungefähr 2,5 Kilo (siehe Abbildungen 01 und 04). Stolz erzählt Prof. Reiterer, wie das Team innerhalb weniger Monate schon ein erstes Konzept vorbereitet hat. Bei einem ersten Testflug, den er und sein Team mit einer kleinen Drohne von Prof. Koch durchgeführt haben, stellten sie dann fest, dass noch einiges an der prototypischen Implementierung geändert werden musste. Innerhalb von zwei Jahren haben sie den Prototyp dann soweit entwickelt, dass sie jetzt eine sogenannte Version 0 erfolgreich präsentieren können (siehe Abbildung 02). In der Entwicklung der neuesten Version hatte das Team mehr Spielraum, da die gesetzlichen Regelungen bezüglich Fluggewicht während des Projekts in Deutschland deutlich gelockert wurden. Als der Förderantrag eingereicht wurde, war es noch Gesetz, dass das ganze System (Drohne plus Laser) nicht mehr als fünf Kilogramm wiegen durfte. Eine neue Drohnen-Verordnung von 2017 erhöhte diese Beschränkung jedoch auf zehn Kilogramm.

Der aktuelle Prototyp erzeugt 30 Profile pro Sekunde und bis zu 40.000 Punkte pro Sekunde. Die Messung der Distanzen erfolgt dabei auf Basis von hochgenauer Lichtlaufzeitmessungen. Die Zeit, die die Lichtpulse benötigen, um von einem Sender zu einem Objekt und wieder zurück zu dem Detektor zu gelangen, wird hierbei gemessen. Während die Drohne über ein Gebiet fliegt, wird der Laserstrahl über einen speziellen Spiegel abgelenkt, sodass eine profilartige Abtastung der Umgebung erfolgen kann. Durch Fusionierung dieser Messungen mit den Informationen zu Orientierung und Position des Systems in der Luft, kann eine 3D-Beschreibung (sog. Punktwolke) erzeugt werden. Eine weitere Schicht von Information, nämlich die Texturinformation, die von den Kameras parallel zum Scanverfahren aufgenommen wird, wird in die Punktwolle projektiert, um dem Nutzer damit eine reale, natur-nahe Darstellung zu liefern (siehe Abbildung 03). „Wie in einem Computerspiel“ zwinkert Prof. Reiterer, „Man kann es sich so vorstellen, als spazierte man durch eine virtuelle Landschaft.“ Dieser Spaziergang dient aber nicht dazu, Drachen oder anderen phantastischen Lebewesen zu folgen, sondern um die Umgebung besser zu analysieren und eine Risikoabschätzung vornehmen zu können.

Für das Projekt sollte nicht nur ein Hardware-Prototyp realisiert werden, sondern auch eine passende Software. Die Software bearbeitet die Daten, die über einen USB-Port vom Scanner auf den Rechner übertragen werden, und stellt sie damit dem Nutzer zur Verfügung. Das Ziel besteht darin, dass die Daten leicht und schnell per USB-Stick von der Drohne „gezogen“ werden. Der nächste Schritt ist die Überführung der Technologie und der prototypischen Umsetzung in einen Demonstrator. Dieser soll dann die volle Leistungsfähigkeit des Systems zeigen und so weiterentwickeln, dass er praxistauglich ist. Ein solches Messsystem bleibt natürlich immer ein Nischenprodukt, da es eher für spezielle Endnutzer geeignet ist. Gefährlich für Mensch und Tier ist das System übrigens nicht, da es einen augensicheren Laser verwendet. Im Gegenteil: „Das Messsystem hat bereits Angriffe von Raubvögeln erfahren, welche die Drohne angegriffen haben“, lacht Prof. Reiterer.

Die Erkenntnisse aus MulDiScan wurden bereits während der Laufzeit für ein weiteres öffentlich-finanziertes Projekt als Basis genutzt. Gestartet im September 2017, haben sich die Forscher mit französischen und österreichischen Kollegen zusammengetan, um eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Systems zu untersuchen. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, See- und Flussdaten aus der Luft zu erfassen. Normalerweise ist die Oberflächenspiegelung eine Herausforderung, aber mit dem Laserscansystem können die Wissenschaftler direkt durch das Wasser den Boden und den Untergrund kartieren. Dazu ist eine Erweiterung des Laserscanner erforderlich. Insgesamt haben im MulDiScan-Projekt über die gesamte Laufzeit bis zu 20 Mitarbeiter mit unterschiedlichen Kompetenzen und zehn Studenten mitgearbeitet. Die Entwicklung einer Software und eines Systems hat die Zusammenarbeit von verschiedenen Experten benötigt. Dabei konnten sich auch ca. sechs Masteranden an der Arbeit beteiligen. Das Team wird für die letzten Monate der Förderzeit weiter an der Software arbeiten und mehr Daten für eine kollektive Sammlung erheben. Ab September 2018 verabschieden sich die Projektpartner voneinander. Sie möchten aber auch in Zukunft auf dieser erfolgreichen Zusammenarbeit aufbauen und weiter kooperieren.