CO2 sinnvoll nutzen? Forscher des LZN erzielen Fortschritte auf dem Weg zu nachhaltigen Kraftstoffen und Chemikalien

Im Kampf gegen steigende Kohlenstoffdioxid-Mengen in der Atmosphäre werden neue Methoden zur Reduktion der CO2-Emissionen entwickelt. Der Transport-Sektor trägt dabei durch die Verbrennung erdölbasierter Kraftstoffe mit einem hohen Anteil zu den Gesamtemissionen bei. Prof. Dr. Ingo Krossing vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und Dr. Achim Schaadt vom Fraunhofer ISE wollen einen Teil zur Lösung dieser Herausforderung beitragen und treiben gemeinsam die Forschung zum Thema „Power-to-Liquid“ (PtL) voran. Das PtL-Konzept basiert darauf, Strom aus erneuerbaren Energien zuerst in Wasserstoff und anschließend in Kombination mit abgeschiedenem Kohlendioxid in flüssige Energieträger und Chemikalien umzuwandeln. Die flüssigen Produkte lassen sich vielfältig in den Sektoren Mobilität, Chemie sowie im Energiebereich zur Strom-, Wärme- und Kältegewinnung einsetzen.

Die Synthese von Methanol aus Wasserstoff hergestellt aus der Wasserelektrolyse mit Kohlendioxid ist dabei ein Schlüsselschritt dieser Prozesskette. Ein spannender Aspekt ist, dass sich Methanol leicht in viele andere Kraftstoffe und Chemikalien wie z.B. Dimethylether (DME) oder Oxymethylenether (OME) umwandeln lässt. OME könnten nachhaltig hergestellt beispielsweise die CO2-, NOx- und Feinstaubemissionen von Dieselfahrzeugen signifikant reduzieren. Das dafür benötigte Kohlendioxid kann aus Industrieprozessen (Stahlwerken, etc.), aus Biomasse (Biogasanlagen, etc.) oder direkt aus der Luft abgeschieden werden. Letzteres wäre perspektivisch die vielversprechendste Möglichkeit, die globalen Kohlenstoffkreisläufe zu schließen.

Die heutige Abhängigkeit von Kohle, Erdöl und Erdgas könnte also reduziert werden, wenn es ein effizientes Verfahren zur Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energien in Flüssigkraftstoffe bzw. Chemikalien gäbe.

Ziel des HyCO2-Projekts war es u.a., die bereits vorher gute Zusammenarbeit zwischen Universität und Fraunhofer-Gesellschaft weiter zu verstärken. Ingo Krossing plante seine Arbeiten auf diesem Gebiet um die Expertise seiner Kollegen der Universität sowie die der Fraunhofer-Gesellschaft gezielt zu erweitern. Auf Seiten der Universität waren das neben den Naturwissenschaftlern auch Sozialwissenschaftler. Konkret hat er sich mit Partnern des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE und des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff Mechanik IWM zusammengeschlossen und sich mit ihnen im Pilotprojekt des Leistungszentrums Nachhaltigkeit Freiburg (LZN) „HyCO2“ vernetzt. Übergeordnetes Projektziel war die Umwandlung von Kohlendioxid mit Wasserstoff zu Flüssigkraftstoffen als Basistechnologie für die chemische Speicherung fluktuierender erneuerbarer Energien. „Wir haben bereits früher mit Prof. Krossing zusammengearbeitet und waren zuversichtlich auch in diesem Projekt viele spannende Erkenntnisse zu gewinnen“, erklärt Dr. Achim Schaadt vom Fraunhofer ISE. Die Naturwissenschaftler und Ingenieure haben sich sowohl der Untersuchung des Mechanismus der Methanol-, DME- und OME-Synthese, als auch der Entwicklung neuer, aktiverer Katalysatoren angenommen. Die Sozialwissenschaftler untersuchten die Marktakzeptanz solch neuer Ansätze.

OME verfügen über keine C-C Verbindungen, verbrennen somit sehr sauber und damit rußfrei, gelten als ungiftig und sind dadurch eine saubere Alternative zum fossilen Diesel. Eine wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Herstellung ist jedoch eine große Herausforderung: Einige Hersteller in China produzieren OMEs bereits, deren Verfahren sind jedoch relativ teuer und ineffizient. Die Forscher des HyCO2 Pilotprojekts haben sich entschlossen, selbst mehrere Labor-Teststände aufzubauen und die Methanol-, DME- und OME-Synthese zu untersuchen und optimieren. Franz Mantei, Doktorand am ISE, erklärt: „Thermodynamische Analysen und Simulationen haben uns sehr geholfen, um ein Prozesskonzept zu entwerfen und in einem gut geeigneten Aufbau umzusetzen.“

OME wurden beispielsweise aus Methanol und Formaldehyd in einer wässrigen Lösung hergestellt. Die erzeugte Mischung bestand aus einem Gemisch verschiedener OME mit Kettenlängen von 1 bis 10. Jedoch können nur OME mit einer bestimmten Kettenlänge (idealerweise 3 bis 5) als Kraftstoffe benutzt werden, da deren Eigenschaften denen von Dieselkraftstoff am besten entsprechen. Die Trennung dieser OME von den anderen gelang mit Hilfe einer sogenannten „Batch-Destillation“. Dabei wird die Mischung gezielt erhitzt und gerührt mit der Folge, dass die verschiedenen Moleküle gemäß ihrer unterschiedlichen Siedepunkte voneinander getrennt werden können. Durch diese thermische Trennung erhalten die Forscher wenige Gramm der erwünschten OMEs pro Stunde. „Diese Vortests dienen dazu, den Prozess besser kennen zu lernen, damit man ihn anschließend hochskalieren kann, um später in größeren Anlagen die jetzt schon große Nachfrage nach OME bedienen zu können“, erläutert Achim Schaadt.

Eine sogenannte „Miniplant“ zur Methanolsynthese in einem weiteren Labor am Fraunhofer ISE dient zudem als exemplarische Anlage für die spätere OME-Herstellung. Diese Anlage wurde im Rahmen des von thyssenkrupp geführten Projekts Carbon2Chem® aufgebaut und kann über Rechner vollautomatisiert betrieben werden. Mit dieser Anlage können die Forscher circa einen Liter Rohmethanol pro Stunde herstellen, das gereinigt z.B. als Edukt für die OME-Synthese dienen kann. Ein Ziel ist es, mit grünem Strom z.B. aus den PV-Anlagen und der Wasserelektrolyse des Fraunhofer ISE die OME in einer kontinuierlichen Miniplant zu produzieren. Zukünftig ist geplant, zusammen mit Industriepartnern eine Anlage zur Herstellung von OME im industriellen Maßstab zu bauen. Dazu müssen die Forscher die Katalysatoren und den Prozess in experimentellen Untersuchungen und Simulationen weiterentwickeln.

Inwiefern die Gesellschaft OME als alternative Kraftstoffe akzeptiert, wurde anhand einer Masterarbeit der Universität Freiburg untersucht. Angesichts der Tatsache, dass OME viele Vorteile aufweisen, wäre es zu erwarten, dass eine hohe Akzeptanz besteht. Die Untersuchung hat auch ergeben, dass die Menschen OME bereitwillig akzeptieren, die Bereitstellung der dafür benötigten erneuerbaren Energien wird jedoch als Herausforderung angesehen. Die Herstellung des Wasserstoffs muss mithilfe von „grünem“ Strom erfolgen, unter anderem aus Photovoltaik-, Windkraft-, und Biomasseanlagen. Idealerweise würde möglichst viel Strom von inländischen Quellen stammen, die man u.a. einfacher auf ihre Nachhaltigkeit prüfen könnte. Dies ist aufgrund der notwendigen Strommengen, die für die Defossilierung von Kraftstoff- und Chemiesektor notwendig sind, eine große Herausforderung. Des Weiteren lässt sich in bestimmten Regionen wie z.B. Norwegen oder Nordafrika der Strom potentiell ökologischer (geringerer CO2-Fußabdruck), und kostengünstiger (höhere Sonneneinstrahlung, mehr Volllaststunden) als in Deutschland herstellen.

„Da wir auch die Ökologie und die Wirtschaftlichkeit des Produkts untersuchen wollten, haben wir zusätzlich Lebenszyklusanalysen (Life Cycle Analysis, LCA) und techno-ökonomische Analysen (TEA) durchgeführt“, berichtet Dr. Robin J. White, ebenfalls vom Fraunhofer ISE. Mit dieser Analyse kann gezielt schrittweise beschrieben werden, welche Ressourcen während des gesamten Lebenszyklus eines Produktes gebraucht werden und was für ökonomische und/oder ökologische Kosten dadurch entstehen können. Die Analyse am Fraunhofer ISE wurde ausgehend von CO2, Wasser und dem Strombedarf über den Erzeugungsweg von Methanol bis hin zum Endprodukt OME durchgeführt. Das verfolgte PtL-Konzept kann die CO2- und Schadstoffemissionen stark reduzieren. „Da aber so eine große Vielfalt von Einflussgrößen und Abhängigkeiten besteht, müssen wir noch weitere Analysen durchführen“, ergänzt Robin J. White. Ein bedeutender Punkt der Analyse ist der CO2-Fußabdruck des verwendeten Stroms. Weitere LCA/TEA Analysen müssen auch noch untersuchen, wie die „Nebenprodukte“, also die OME mit Kettengliedern <3 und >5 verwendet oder im Prozess wiedergenutzt werden könnten, um die Umweltbilanz des Produkts weiter zu verbessern.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fraunhofer-Instituten und der Universität wurde im Sommer für das HyCO2-Projekt erst einmal abgeschlossen: „Die Kompetenzen von allen Seiten haben sich in idealer Weise ergänzt und wir hatten einen sehr produktiven Austausch“. Zahlreiche Publikationen konnten veröffentlicht und viele Abschlussarbeiten im Rahmen des Pilotprojekts durchgeführt werden. Weiterhin verstärkte sich auch die Beziehung zwischen Fraunhofer und der Universität. „Wir freuen uns auf die Möglichkeit, zukünftig weiter gemeinsam an Projekten zu arbeiten“ fasst Achim Schaadt zusammen.