Resilience Engineering
Widerstands- und anpassungsfähig zu werden gegen Krankheiten und andere schädliche Einflüsse, das ist schon für den menschlichen Körper ein höchst komplexer Prozess, der in der Medizin noch längst nicht vollständig erforscht ist. Weitaus vielschichtiger noch
ist die Frage der Widerstands-, Anpassungs- und Lernfähigkeit – der Resilienz (englisch resilience) –, wenn es um ganze menschliche Gesellschaften oder gar um vielschichtige Ökosysteme geht. Das Thema "Resilience Engineering" gewinnt noch an Bedeutung, seit die Folgen des weltweiten Klimawandels immer deutlicher zutage treten: Beispielsweise geht es in der Katastrophenhilfe und -vorsorge zusehends darum, Menschen und ganze Regionen vor schweren Stürme, Fluten, Dürren und anderen Extremwetterereignissen sowohl zu schützen, sie also widerstandsfähiger zu machen, als auch sie zu befähigen,
sich den Ereignissen immer besser anzupassen.
Dieser großen Herausforderung stellt sich unser dritter Forschungsschwerpunkt – "Resilience Engineering". Dabei geht es nicht nur um die negativen Folgen des Klimawandels, sondern auch um andere Bedrohungen, die in einer technisierten, eng vernetzten und konfliktreichen Gesellschaft weiter zunehmen und die vom Terrorismus über Georisiken bis hin zu Industrieunfällen reichen. Unter Resilienz verstehen wir die Fähigkeit, durch widrige Ereignisse verursachte menschliche, finanzielle und sonstige Schäden zu verhindern oder zumindest zu minimieren und im Idealfall aus dem Ereignis gestärkt hervorzugehen. Forschungsansätze, Methoden, Technologien und Lösungen werden entwickelt, um die Sicherheit, Zuverlässigkeit und situative Anpassungsfähigkeit komplexer Systeme zu verbessern. Dazu gehören einzelne Bauteile genauso wie Netze
von miteinander verbundenen Infrastrukturen. In diesem Forschungsschwerpunkt werden entsprechend einzelne Ansätze vertieft und unterschiedliche miteinander vernetzt.
Die Forschungsthemen reichen von der Risikomodellierung und der Simulation von Systemen über neuartige, intelligente Schutzmaßnahmen für Infrastrukturen bis hin zur Frage, inwiefern natürliche Systeme in ihrer Resilienz gegenüber Georisiken Vorbild sein
können für die Gestaltung technischer Systeme.
Forschungsthemen
Entwicklung widerstands- und adaptionsfähiger Technologien und Strukturen
Dämme gegen schwere Überschwemmungen, Häuser, die starken Stürmen standhalten, oder säureresistente Oberflächen – die Anforderungen an technische Systeme und bauliche Strukturen nehmen durch die Folgen des Klimawandels, aber auch durch gesellschaftliche Bedrohungen zu. Eine nachhaltige Entwicklung neuartiger resilienter Materialien, Strukturen und Systeme muss ökologisch und ökonomisch durchsetzbar
sein und gleichzeitig weiteren Faktoren wie Ästhetik oder gesellschaftlicher Akzeptanz
gerecht werden.
Nature-based Solutions
Die Natur ist das beste Vorbild für widerstands- und adaptionsfähige Entwicklungen.
Durch eine systematische Herangehensweise können evolutionär optimierte biologische Lösungen auf technische Anwendungen übertragen werden, wenn etwa die Struktur von Bäumen beim Bau erdbebensicherer Gebäude oder natürlich vorkommende Zellstrukturen für die Entwicklung von biologischen Kunststoffen berücksichtigt werden. Ausgehend von biologischen Vorbildern (biology push) oder technischen Fragestellungen (technology pull) werden in interdisziplinärer Zusammenarbeit vor allem Fragen der Resilienz natürlicher Systeme als Vorbild für technische Systeme untersucht und Lösungen für resiliente Ingenieursbauten entwickelt.
Resilienz natürlicher Systeme gegenüber Bio- und Georisiken
Durch den Klimawandel und andere Entwicklungen bedingte Veränderungen wie
extreme Wetterereignisse – lange anhaltende Dürren, starke Überschwemmungen oder außergewöhnlich heftige Stürme – stören oder zerstören das natürliche Gleichgewicht
von Ökosystemen. Um die Resilienz natürlicher Systeme zu erhöhen, bedarf es eines umfassenden Verständnisses der zugrunde liegenden natürlichen Prozesse und ihrer statistischen Häufigkeit. Auf dieser Basis werden konkrete Handlungsoptionen erarbeitet. Die Untersuchungsstrategien reichen von Methoden des Langzeitmonitorings über geo- und biowissenschaftliche Experimente bis zu Simulationsmodellen, mit deren Hilfe Gefährdungspotenziale analysiert und Prognosen erstellt werden können.
Risiko-Modellierung und Simulation komplexer Systeme
Um nachhaltige Sicherheit und Zuverlässigkeit bzw. Resilienz zu erreichen, benötigt die Forschung einen systematischen Einsatz diverser Methoden. Dabei geht es zunächst darum, das Verhalten komplexer sozio-technischer Systeme simulieren zu lernen.
Erst wenn erforscht ist, ob diese Simulationen belastbar sind, sie also die Wirklichkeit ausreichend widerspiegeln, können Sicherheit, Zuverlässigkeit und Anpassungs- bzw. Regenerationsfähigkeit und Flexibilität bei übermäßigen bzw. disruptiven Belastungen bewertet werden, also die Reaktion der Systeme auf Extrem-Ereignisse.
Systemlösungen für Robustheit und Anpassungsfähigkeit
Gesellschaftlich relevante Ingenieursysteme werden in der Regel gemäß dem jeweils aktuellen Stand der Technik entworfen. Unberücksichtigt bleiben Beanspruchungen, die zum Erstellungszeitraum nicht absehbar sind. Was aber, wenn veränderte Klima- und Rahmenbedingungen auf die Bauwerke und Systeme einwirken? Um dynamische Prozesse zu berücksichtigen, werden adäquate Lösungen entwickelt, die sowohl neue mögliche Beanspruchungen erfassbar machen als auch den gegenwärtigen Zustand der Systeme abbilden können. Dazu gehören ihre Abnutzung bzw. ihr Health-Status genauso wie mögliche Kaskadeneffekte, also Effekte, die erst in der Summe ihrer Eigenschaften
zum Tragen kommen